Was passiert mit meinem ETF im Falle einer Scheidung?

/ November 25, 2021/ ETF

Rechtsanwalt Niklas Clamann gibt dir einige Tipps, um dein Vermögen bei einer Scheidung zu schützen. Ich selbst war und bin nicht in dieser Situation und kann dir nichts dazu raten. Daher freue ich mich umso mehr, dass sich jemand mit Expertise aus diesem Bereich an mich gewandt hat.


Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Niklas Clamann aus Münster

Der Vermögensaufbau mithilfe von ETF gewinnt derzeit immer größere Bedeutung. Sich durch Sparpläne und Investitionen finanzielle Freiheit und frühzeitige Renten zu ermöglichen, ist für viele – gerade auch jüngere – Menschen besonders attraktiv.

Umso ärgerlicher ist es, wenn einem die Scheidung einen Strich durch die Rechnung macht. Dieses Problem erlebe ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Scheidungsanwalt immer wieder. Damit dir dies nicht passiert, zeige ich dir die Auswirkungen einer Ehescheidung auf deine Wertpapiere. Plus Möglichkeiten, um dein angespartes Vermögen zu schützen.

Hierfür muss man zunächst verstehen, welche Rolle ETF und Aktiendepots bei einer Scheidung spielen. Dies hängt davon ab, in welchem Güterstand du nach der Eheschließung lebst. Das ist – wenn du wie die meisten Menschen, die heiraten, keinen Ehevertrag geschlossen hast – der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Doch was bedeutet das genau?

Der Zugewinnausgleich

In der Zugewinngemeinschaft soll der während der Ehezeit erworbene Zugewinn am Ende der Ehe auf Antrag hälftig geteilt werden. Der Zugewinn ist das, was jeder Ehegatte für sich genommen während der Ehezeit an Vermögen hinzugewonnen hat. Bei jedem Ehegatten wird geschaut, welches Vermögen er zum Beginn der Ehe (also am Tag der Hochzeit) und welches Vermögen er zum Ende der Ehe hat (Tag der Zustellung des Scheidungsantrags an den anderen Ehegatten).

Hat einer von euch dabei einen höheren Zugewinn als der andere erwirtschaftet, wird am Ende der Ehe dieser Überschuss zwischen euch aufgeteilt. Voraussetzung ist, dass der Zugewinnausgleich auch bei Gericht beantragt wurde. Anders als viele denken wird er nicht automatisch mit der Scheidung durchgeführt.

In den Zugewinn fallen alle Vermögenswerte, die während der Ehezeit erlangt wurden. Das bedeutet in Bezug auf ETF und andere Wertpapiere: neu hinzuerworbene Wertanlagen werden hinzugerechnet; ebenso die während der Ehezeit eingetretenen Wertsteigerungen bereits vorhandener Anlagen.

Die besondere Problematik in Bezug auf Wertpapiere

Eine besondere Problematik im Hinblick auf Wertpapiere kann sich hierbei aus den Wertschwankungen ergeben. Für die Berechnung des Endvermögens beim Zugewinn ist die sogenannte „Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages“ maßgeblich. Der Scheidungsantrag wird mit der Zustellung beim Antragsgegner rechtshängig. Solltest du dich also von deinem Partner scheiden lassen wollen und von deinem Anwalt einen Scheidungsantrag bei Gericht einreichen lassen, ist dieser dann rechtshängig, wenn das Gericht die Zustellung bei deinem Expartner vorgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt fließen jedoch noch keinerlei Zahlungen. Fällig wird der Zugewinnausgleichsanspruch nämlich erst mit Beendigung des Güterstandes, also mit der Rechtskraft der Scheidung.

Zwischen der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages und der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses kann einige Zeit vergehen. Das kann aufgrund von Marktschwankungen zu sehr ungünstigen Ergebnissen für denjenigen führen, der in Wertpapiere investiert hat. Kommt es in der Zwischenzeit zu einem Wertverlust der Aktiendepots, wird dieser NICHT mehr bei der Zugewinnberechnung berücksichtigt.

Dafür ein Beispiel

Du und dein Ehepartner seid beide ohne Vermögen in die Ehe gestartet. Während der Ehezeit hast du dein Vermögen in Wertpapiere investiert und gute Gewinne erwirtschaftet. Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Ehescheidung hast du 100.000 € Vermögen in Wertpapieren erwirtschaftet. Deinem Partner waren Wertpapiere zu unsicher. Er hat sein Vermögen nicht investiert, sondern lediglich etwas auf ein Sparkonto gelegt und damit am Ende der Ehe 50.000 € angespart.

Vergleicht man eure jeweiligen Zugewinne ergibt sich bei dir ein Überschuss in Höhe von 50.000 €. Dieser wird im Rahmen des Zugewinnausgleichsverfahrens hälftig geteilt. Dein Expartner erhält von dir 25.000 €. Am Ende der Ehe habt ihr beide ein Vermögen von jeweils 75.000 €.

Allerdings erhält dein Expartner diese 25.000 € auch dann, wenn der Wert deines Anlagevermögens in der Zwischenzeit (aus welchen Gründen auch immer) auf 75.000 € gesunken ist. Du gehst mit einem Vermögen von 50.000 € aus der Ehe; dein Expartner mit 75.000 €. Das Risiko des Wertverlustes trägst du nach der gesetzlichen Regelung ab der Rechtshängigkeit der Scheidung allein.

Dieses Ergebnis mag für denjenigen, der den Wertverlust alleine auffangen muss, ungerecht wirken. Es ist jedoch gesetzlich so geregelt und auch vom Bundesgerichtshof für genau eine solche Konstellation als rechtmäßig entschieden worden. Für den, der in Wertpapiere investiert, ist es wichtig sich darüber bewusst zu sein, welche Auswirkungen der Zugewinnausgleich – im worst case – haben könnte. Und wie dem entgegnet werden kann.

Die Gütertrennung als Lösung

Der Güterstand ist dafür verantwortlich, wie sich die Scheidung auf deine Wertpapiere auswirkt. Neben dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gibt es noch die Möglichkeiten den Güterstand der Gütertrennung oder auch der Gütergemeinschaft zu wählen. Für beide ist es notwendig einen notariellen Vertrag festzulegen.

Die Gütergemeinschaft stellt in Deutschland die absolute Ausnahme dar. Hierbei wird alles, was während der Ehe erworben wird, automatisch zum gemeinsamen Vermögen beider Eheleute.

Bei der Gütertrennung ist das Gegenteil der Fall. Sowohl während der Ehezeit als auch danach behält jeder Ehegatte das, was er selbst an Vermögen erwirtschaftet hat, ohne einen Ausgleich am Ende. Deine Investitionen in Wertpapiere wären durch die Scheidung nicht betroffen. Je nach Beziehungskonzept kann die Gütertrennung durchaus sinnvoll sein. Besonders dann, wenn ihr beide finanziell unabhängig bleiben wollt und eigenständige Investitionen vornehmt.

Allerdings möchten viele Paare nicht diese radikale Trennung.

Die modifizierte Zugewinngemeinschaft als Kompromiss

Wenn einer von euch z.B. wegen der Familienplanung beruflich zurücksteckt, erscheint es häufig fairer, wenn der andere dafür finanziell mit einspringt. Statt einer vollständigen Gütertrennung besteht aber auch die Möglichkeit die Zugewinngemeinschaft lediglich zu modifizieren!

Ihr könnt bestimmte Vermögenswerte wie etwa die Wertpapiere aus dem Zugewinn herausnehmen. Auch diese Modifikationen müssen in einem notariellen Ehevertrag festgelegt werden.

Welche Modifikationen sinnvoll sind, ist immer vom Einzelfall und der jeweiligen Lebensplanung abhängig. Macht euch vorher gemeinsam Gedanken darüber, wie ihr euch eure Zukunft sowohl persönlich als auch finanziell vorstellt. Und welche Absicherungen ihr für den Fall einer Scheidung wünscht.

Danach sollte eine Beratung bei einem Notar stattfinden. Sucht dabei einen Notar auf, der sich auf Familienrecht spezialisiert hat. Er entwirft mit euch gemeinsam einen Vertrag, der sowohl rechtlichen Anforderungen als auch euren persönlichen Vorstellungen und Wünschen entspricht. Wichtig ist, dass keiner von euch durch diesen Vertrag über die Maße benachteiligt wird. Denn sonst kann das Gericht den Ehevertrag im Falle der Scheidung für unwirksam erklären.

Aber was macht man, wenn die Scheidung schon ansteht?

Auch wenn ihr euch schon in der Trennung befindet, könnt ihr im Rahmen einer sogenannten Scheidungsfolgenvereinbarung gemeinsam und einvernehmlich eine Regelung finden.

Ihr könnt umfassende Vereinbarungen für Folgen eurer Scheidung treffen, auch bezüglich des Zugewinnausgleiches. Wie in einem Ehevertrag habt ihr die Möglichkeit den Zugewinnausgleich vollständig auszuschließen und eine Gütertrennung zu vereinbaren. Ihr könnt aber auch einzelne Vermögenswerte, also beispielsweise eure Aktiendepots, aus dem Zugewinn herausnehmen. Und weitere Folgen eurer Scheidung festlegen, etwa zum Thema Unterhalt oder Sorgerecht. 

Eine solche Vereinbarung kann das Scheidungsverfahren erheblich vereinfachen. Denn über alle Punkte, die ihr dort schon festlegt, braucht ihr vor Gericht nicht mehr streiten.

Sollte bei dir also die Scheidung anstehen und du möchtest deinen ETF vor Einwirkungen durch den Zugewinnausgleich schützen, dann versuche doch mit deinem Expartner schon im Vorfeld eine einvernehmliche Lösung zu finden.


Fazit

Ebenso wie beim Vermögensaufbau muss man auch beim Vermögensschutz selbst tätig werden.

Meiner Ansicht nach stellt hierbei die modifizierte Zugewinngemeinschaft eine bisher noch viel zu unbekannte und unterschätzte Möglichkeit dar, um eine für einen persönlich passende Regelung zu schaffen.

Denn die Regelungen der klassischen Zugewinngemeinschaft stammen noch aus einer Zeit der sogenannten Hausfrauenehe, sodass sie heute in vielen Haushalten nicht mehr der Lebenswirklichkeit entsprechen. Andererseits führt einer Gütertrennung doch häufig zu einer Benachteiligung der Person, die für die Familie beruflich zurücksteckt.

Die selbst gewählten Modifikationen können einem hingegen die Möglichkeit bieten die finanzielle Freiheit zu bewahren. Gerade in Bezug auf Aktien, ETF und sonstige Wertpapiere stellt dies einen tollen Weg dar, die erarbeiteten Investitionen zu schützen, ohne eine vollständige Trennung der Finanzen herbeizuführen.